Katzenhaltung in (kleiner) Wohnung – Vertretbar oder Tierquälerei?
Antwort von Tierärztin Dr. Iris Wagner-Storz:
Ist eine Katzenhaltung in der Wohnung in Ordnung oder nicht? Und wie groß muss die Wohnung sein, damit die Katzen nicht leiden?
Das sind sehr gute Fragen über die man unbedingt nachdenken sollte, wenn man in einer Wohnung lebt und gerne kätzische Gesellschaft hätte.
Dass Sie sich zusätzlich Gedanken darüber machen, ob eine oder zwei Katzen besser wären und ob spezielle Rassen für die Haltung als Wohnungskatzen geeignet sind, freut uns sehr! Es zeigt nämlich, dass Sie wirklich die richtige Entscheidung treffen wollen!
Deswegen erklären wir Ihnen natürlich auch gerne was wir darüber denken. Teilen wir die Frage doch mal in verschiedene Bereiche auf:
Katzenhaltung in der Wohnung = Tierquälerei?
Ob die Wohnungshaltung von Katzen besser ist oder Katzen unbedingt Freilauf brauchen, ist vermutlich eine der umstrittensten Fragen unter Katzenliebhabern. Über kaum ein anderes Thema wird so kontrovers und leidenschaftlich diskutiert. Welche Seite „Recht hat“ wird sich dabei wohl nie klären lassen – beide Haltungsformen haben nämlich Vor- und Nachteile.
Freigang vs. Wohnungshaltung
Klar, Freilauf klingt erst mal toll: Die Katzen können sich soviel bewegen wie sie wollen, auf Bäume klettern, jagen und mehr oder weniger den Tag so verbringen wie sie möchten. Sie können also einfach Katze sein!
Fakt ist aber auch: Katzen mit Freigang haben eine deutlich geringere Lebenserwartung als ihre in der Wohnung gehaltenen Artgenossen. Während diese oft deutlich über 10 Jahre alt werden (die älteste Katze der Welt erreichte ein stolzes Alter von 38 Jahren), haben Katzen mit Freigang eine durchschnittliche Lebenserwartung von zwei bis fünf Jahren. In Großbritannien wird geschätzt, dass ein Viertel aller Katzen unter einem Lebensjahr in einen Autounfall verwickelt wird. Aber nicht nur Autos sind eine Gefahr bei ungesichertem Freigang: freilaufende Katzen haben auch ein höheres Risiko verletzt zu werden (z.B. bei Revierkämpfen) und sich mit Krankheiten und Parasiten anzustecken.
Natürlich ist das nur eine Kurzfassung der unterschiedlichen Vor- und Nachteile von Katzenhaltung in der Wohnung bzw. mit Freigang. Es zeigt aber schon: es gibt eigentlich kein „Richtig oder Falsch“ bei der Frage, was besser ist.
Ich persönlich bin der Meinung, dass Wohnungskatzen durchaus ein erfülltes Leben führen können, bei dem sie nicht ständig unter Langeweile leiden. Allerdings ist der Aufwand für uns Katzenhalter bei Wohnungshaltung etwas höher. Es reicht nicht, eine Katze inklusive Kratzbaum, Katzenklo und Spielzeug anzuschaffen und dann davon auszugehen, dass sie sich schon selbst beschäftigen wird. Die Haltung von Wohnungskatzen verlangt von uns als Besitzern, dass wir uns viel um die Fellnasen kümmern, jeden Tag mit ihnen spielen und auch ihr Gehirn fördern (z.B. mit Intelligenzspielzeug, Klicker-Training, Versteckspielen etc.).
Nicht immer ist Freigang möglich!
Im Übrigen gibt es auch Katzen, bei denen Freigang aus verschiedenen Gründen nicht möglich oder sinnvoll ist – z.B. weil sie an einem Handicap leiden oder mit den Infektionskrankheiten FIV (Katzeaids) oder FeLV („Leukose“) infiziert sind. Bei diesen bleibt eigentlich nur eine Wohnungshaltung (eventuell mit gesichertem Freigang, z.B. an der Leine). Für Menschen, die gerne eine Katze hätten, aber ein schlechtes Gewissen haben, weil sie der Katze keinen Freigang ermöglichen können, sind solche Katzen die perfekte Lösung.
Kleine Wohnung für Wohnungskatzen attraktiver gestalten
Welche Wohnungsgröße nötig ist, damit Katzen sich wohl fühlen, ist dann schon eine etwas schwierigere Frage. Eine 60 m2-Wohnung ist zwar nicht riesig, meiner persönlichen Meinung nach aber ausreichend, wenn man einige Punkte beachtet:
Wenn Sie diese Anforderungen erfüllen können – aus räumlicher und zeitlicher Sicht – spricht meiner Meinung nach nichts dagegen, dass Sie Samtpfoten adoptieren und als Wohnungskatzen halten.
Hier allerdings noch zwei zusätzliche Tipps, die dabei helfen können, Langeweile bei Wohnungskatzen zu verringern:
- Spaziergänge an der Leine sind eine tolle Möglichkeit, auch Wohnungskatzen ein bisschen Bewegung zu verschaffen und Langeweile zu vertreiben. Gerade wenn man Katzen früh an ein Geschirr und das Laufen an der Leine gewöhnt, kann es Katzen und Haltern gleichermaßen Spaß machen – und aus eigener Erfahrung kann ich sagen: die Blicke der Passanten sind unbezahlbar.
- Eine weitere tolle Möglichkeit ist es, der Katze Zugang zur frischen Luft zu ermöglichen. Falls Sie einen Balkon haben: super! Denken Sie nur daran, ein Schutznetz anzubringen, damit ihre Katzen nicht abstürzen können (Glauben Sie mir, das passiert immer wieder – und die Folgen können dramatisch sein). Falls Sie keinen Balkon haben, können Sie ein Fenster mit einem Gitter versehen (hierfür gibt es auch Selbstbauanleitungen im Internet), so dass Ihre Wohnungskatzen immer ihr persönliches Freiluft-Katzenkino auf dem Fensterbrett haben.
Wohnungskatzen: Haltung alleine oder zu zweit
Katzen sind – entgegen der landläufigen Meinung – soziale Tiere und keine reinen Einzelgänger. Die meisten Stubentiger genießen es sehr, einen Artgenossen zur Gesellschaft zu haben. In den meisten Fällen ist es – gerade bei Wohnungshaltung – daher sinnvoll, gleich zwei Katzen zu adoptieren. Gerade wenn sie noch jung sind, besteht die Chance, dass die beiden dicken Freunde werden – oder sogar bereits sind (z.B. bei Wurfgeschwistern).
Es gibt allerdings auch Ausnahmen: Manche Fellnasen wollen Einzelkatzen sein. Gerade bei erwachsenen Katzen aus dem Tierschutz ist meist bekannt, ob sie sozial sind und einen Gefährten wollen oder ob nur eine Einzelhaltung in Frage kommt. Nur bei solchen Tieren ist es meiner Meinung nach aus ethischer Sicht in Ordnung, sie alleine in der Wohnung zu halten (bei Katzen mit Freigang sieht die Sache nochmal etwas anders aus). In diesem Fall sind wir als Katzenhalter aber noch viel mehr gefordert, denn wir müssen uns noch mehr mit ihnen beschäftigen.
Es bleibt Ihnen überlassen, für welche Variante Sie sich entscheiden. Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen jedoch sagen: Es ist schön, zwei Katzen zu haben, die auch mal miteinander spielen, kuscheln und sich gegenseitig putzen. Vor allem, wenn man berufstätig ist und nicht von zuhause aus arbeiten kann, ist es dann schön zu wissen, dass der geliebte Stubentiger nicht ganz alleine ist.
Die richtige Katzenrasse für die Wohnungshaltung
Wir sind sehr froh, dass Sie uns mitgeteilt haben, was Ihre Wunschrassen wären – beide sind nämlich aus verschiedenen Gründen problematisch.

Bengalkatzen sind sehr temperamentvolle, freiheitsliebende kleine Leoparden, die viel Bewegung brauchen und gerne laufen, klettern und toben. In kleinen Wohnungen fühlen sie sich oft nicht wohl und können das durch Protestaktionen (wie Kratzen an Möbeln oder Urinieren aufs Bett) auch deutlich zum Ausdruck bringen. Obwohl Bengalen wunderschön und eigentlich auch tolle Katzen sind, sind sie insgesamt also leider nicht die beste Wahl für Sie.

Scottish Fold-Katzen (Faltohrkatzen) wären vom Charakter schon besser als Wohnungskatzen geeignet. Hier gibt es aber ein anderes Problem: Es handelt sich bei ihnen möglicherweise um eine sogenannte Qualzucht. Das rassetypische Faltohr wird nämlich durch eine Genmutation ausgelöst, die schwere gesundheitliche Folgen haben kann.
So kann es durch sie zu einer sogenannten Osteochondrodysplasie (OCD) kommen, einer Erkrankung („dysplasie“) von Knochen („osteo“) und Knorpeln („chondro“). Deren Folge können schmerzhafte Krankheiten des Bewegungsapparats sein, wie Knochendeformationen und Osteoarthritis. Die betroffenen Katzen leiden unter dauerhaften, teilweise schweren Schmerzen und haben Schwierigkeiten, sich zu bewegen. Oft müssen sie daher schon in jungen Jahren eingeschläfert werden. Wie weit verbreitet diese Erkrankung unter Scottish Fold-Katzen ist, wird noch kontrovers diskutiert. Fakt ist aber: die Krankheit kommt vor. Manche Experten kritisieren außerdem, dass das Faltohr eine artgemäße Kommunikation verhindert und den Gehörsinn einschränkt. Aus ethischen Gründen rate ich Ihnen deshalb von der Wahl dieser Katzenrasse ab.

Eine gute Alternative wären Britisch Kurzhaar-Katzen. Diese sind den Scottish Fold-Katzen äußerlich recht ähnlich (abgesehen vom Faltohr), haben ein freundliches, ruhiges, gemütliches Wesen und sind sehr gut für die Haltung als Wohnungskatzen geeignet.
Fazit
Wenn Sie in Ihrer Wohnung die Möglichkeit haben alle Bedürfnisse von Wohnungskatzen zu erfüllen und auch genügend Zeit mitbringen, um sich viel mit Ihren neuen Mitbewohnern zu beschäftigen, spricht meiner Meinung nach nichts dagegen, dass zwei Wohnungskatzen bei Ihnen einziehen.
Ein persönliches Anliegen von mir: Bitte denken Sie daran, dass es auch sehr viele junge Katzen und Katzenwelpen in den Tierheimen und aus dem Tierschutz gibt. Auch Rassekatzen findet man dort immer wieder! Manche Internetseiten haben sich sogar auf deren Vermittlung spezialisiert, z.B. http://www.rassekatzen-im-tierheim.de/ oder https://www.notfall-rassekatzen.de/.
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Über Dr. med. vet. Iris Wagner-Storz
Ich bin seit 2013 approbierte Tierärztin, Mutter einer kleinen Tochter und leidenschaftliche Leseratte. Mein Tiermediziner-Herz schlägt v.a. für die Dermatologie und Innere Medizin – und so habe habe ich meine Doktorarbeit auch in der Dermatologie der Medizinischen Kleintierklinik der LMU München zum Thema Allergien beim Hund geschrieben. Ich bin selbst leidgeprüft, was Krankheiten bei den eigenen Haustieren angeht – und weiß wie wichtig ausführliche, korrekte Informationen sind, um die richtige Entscheidung für den geliebten Vierbeiner zu treffen. Aus diesem Grund ist fellomed ein Herzensprojekt für mich! Um Ihnen möglichst gute und aktuelle Informationen liefern zu können, versuche ich ständig dazuzulernen und mich fortzubilden – so bin ich beispielsweise auch Mitglied der International Society of Feline Medicine (ISFM) .